BF 109

 

 

Neue Bf 109 „Gustav-14“ aus Leipzig
 

Leipzig war vor über 60 Jahren einer der führenden Standorte der deutschen Luftfahrtindustrie - eine Tatsache, die heute selbst in der Messestadt nahezu unbekannt ist. Fast ein Drittel aller bis 1945 gebauten Bf 109 verließ die Fertigungsstätten der Erla-Werke. In liebevoller Kleinarbeit entsteht derzeit ein Vertreter der Baureihe G („Gustav“)-14 nur wenige Kilometer vom ursprünglichen Produktionsstandort völlig neu. „Klassiker der Luftfahrt“ berichtet von diesem ehrgeizigen Projekt.
 

Dass die sächsische Industriemetropole eine Stadt mit großer Luftfahrttradition ist, dürfte heute nur noch Insidern bekannt sein. Und doch wurden in Leipzig bereits im Ersten Weltkrieg bei den „Deutschen Flugzeugwerken (DFW)“ Doppeldecker gebaut, und ab den späten Zwanzigern hatten hier solch wichtige Unternehmen wie ATG, Erla und Junkers bis Kriegsende eine Heimat. Sie konzentrierten sich am Flughafen Mockau, auf dessen Territorium unweit des historischen Abfertigungsgebäudes von 1929 heute das Neue Messegelände der Stadt steht.
 

Mit über 11.000 gebauten Exemplaren verließ zwischen 1937 und 1945 etwa ein Drittel der gesamten Bf 109-Fertigung die Produktionshallen des „Erla Maschinenwerks Leipzig GmbH“ in Mockau und Leipzig-Heiterblick. Die Erla-Werke selbst hatten ihren Ursprung im 1932 im Erzgebirge gegründeten „Eisen- und Flugzeugwerk Erla“, das wiederum zum DKW-Konzern Zschopau gehörte. Dessen modern denkender Gründer Jörgen S. Rasmussen suchte seinerzeit für seinen 20-PS-Zweitakter ein zeitgemäßes Fluggerät und wurde in der Konstruktion Me 5a des Schwaben Franz Xaver Mehr fündig.
 
Bei diesem Flugzeug handelte es sich um einen einsitzigen Tiefdecker mit sehr geringem Leergewicht, der in kleiner Stückzahl gebaut wurde. Ab 1937 konstruktiv überarbeitet entstanden weitere Exemplare als Erla 5 mit 50-PS-Zündapp Motoren. Gedacht wurde dem Trend der Zeit folgend an ein sogenanntes „Volksflugzeug“. Mit zwei Rekordflügen (1.915 km nonstop bzw. 20.000 km „Drei-Erdteile-Flug“) machte die Maschine 1939 positive Schlagzeilen; eine größere Serienfertigung blieb ihr infolge des Kriegsausbruchs jedoch versagt.
 

Stattdessen lief die Rüstungsproduktion auf Hochtouren. Erste Aufträge waren Lizenzfertigungen der Muster Arado Ar 65, Heinkel He 51 und Gotha Go 145, bevor man in die Großserienfertigung der verschiedenen Bf 109 Varianten einstieg. Die größte Serie stellt mit 8.298 gefertigten Exemplaren die Bf 109 G dar.
 

Nur 15 Kilometer von den einstigen Produktionsstätten entfernt entsteht derzeit eine „neue“ Bf 109 G-14. Dieser Umstand ist dem rührigen Bemühen der Familie Kölzsch zu verdanken, die unter Verwendung vieler Originalteile und vor allem -materialien eine am Boden betriebsfähiges Replikat dieser Baureihe aufbaut.

Werner Kölzsch (45) ist die treibende Kraft des Projekts. Bereits früh durch Erzählungen seines Vaters sensibilisiert befasste er sich schon vor dem Ende der DDR sporadisch mit Büchern und Modellbausätzen.
 
Nach der Wende, als die betreffenden Aspekte der Geschichte vor 1945 ihr Tabu verloren, begann er, eine kleine Sammlung von Originalteilen und Flugzeuginstrumenten aufzubauen. Grundstock der sammlung war der originale Steuerknüppel einer Bf 109, der lange Jahre im Trabant des Vaters als Handbremshebel diente. Aufgelassene Fliegerhorste, aber auch mancher Vorgarten waren Fundgruben für Metallteile wie Motorhauben oder Rumpfbleche. Als gelernten Karosserieschlosser stellte die Herrichtung solcher Funde für Kölzsch naturgemäß eine Herausforderung dar.
 
Nach und nach entstanden so zwei komplette Instrumentenbretter und ein Seitenruder (letzteres sogar zweimal, da die erste Fassung nicht der richtigen Baureihe entsprach); weitere Baugruppen wie Hecksporn, Fahrwerksbein oder Propellerblätter wurden aufwändig restauriert. 1996 konnten Reste des Spornradkastens einer 109 G erworben werden. Auch sie wurden in einen ansprechenden Zustand zurückversetzt, und so kam es, daß er das Pferd quasi von hinten aufzuzäumen begann:
 
Der Plan, eine komplette Bf 109 G als statisches, aber funktionsfähig ausgerüstetes Ausstellungsobjekt zu bauen war geboren.
 

Grundlage hierfür war der Fund einer größeren Anzahl originaler Luftwaffen Reparaturbleche, die auf Bauernhöfen Kriegsende und DDR überlebt hatten. Zeichnungen und Handbücher, unabdingbar für eine authentische Re-Konstruktion, wurden Werner Kölzsch von Gleichgesinnten und der EADS zur Verfügung gestellt. Sie dienten dem Bau der Vorrichtungen zum Bau der einzelnen Segmente, und so gingen die Arbeiten, auch Dank der tatkräftigen Mithilfe der ganzen Familie (Vater, Ehefrau, Sohn und Tochter) und einiger Freunde, erstaunlich zügig voran: Bereits Ende 1998 konnte mit der detailierten Innenausstattung des Rumpfes begonnen werden.
 

Eherne Prämisse für alle Arbeiten ist absolute Detailgenauigkeit: Sklavisch hält Kölzsch sich millimetergenau an die Baumaße, schon um bei weiterem Baufortschritt keine unangenehmen Überraschungen zu erleben. Steuerung samt Trimmanlage sind voll funktionstüchtig, und die elektrische Anlage versorgt einige Instrumente (z.B. Wendehorizont und Reflexvisier) und Anzeigen. Die beiden erwähnten Instrumentenbretter können wahlweise eingebaut werden und stellen diejenigen der Bf 109 G-6 und Bf 109 K dar; letzteres soll bei späteren G-Versionen, wie die G-14 eine darstellt, häufig zum Einbau gelangt sein.
 
Der Rumpf steht auf eigenen (Fahrwerks-)Beinen und ist im Standard-Tarnschema von Ende 1944, Anfang 1945 gespritzt. Bereits komplett eingebaut ist die Triebwerksaufhängung mitsamt Motorsteuerungselementen und Verkabelung, die zum großen Teil aus Originalmaterial besteht. Der Zustand ist trotz jahrzehntelangem Verbleibs im Erdreich bemerkenswert: Weder Sprödigkeit noch Korrosion schränken die Funktionstüchtigkeit ein. Der Antrieb, ein durch Methanoleinspritzung leistungsgesteigerter DB 605D selbst entsteht aus Teilen mindestens dreier verschiedener DB 605 und wird in nicht all zu ferner Zukunft voll funktionstüchtig eingebaut werden.
 
Gegenwärtig entstehen im „Flugzeugwerk Kölzsch“ die Tragflächen teilweise aus restaurierungsfähigen Komponenten, zum größten Teil jedoch völlig neu nach Mustern von originalen Bruchstücken.
 

Die Maschine hat mittlerweile sogar eine eigene Identität. Auf dem Geländes des Erla-Zweigbetriebes Spröda bei Delitzsch fand Kölzsch einige Typenschilder verschiedener Bf 109 G aus der Erla-Produktion, teils als Rohlinge, teils mit bereits eingeschlagenen Baunummern. Das besterhaltene zeigt die Werknummer 464 836 und stammt aus einer G-14, die am 8.1.1945 eingeflogen und danach zur Überführung abgestellt wurde. Eine optisch sehr attraktive gelbe Vier, die jedoch nicht historisch belegt ist, bildet das taktische Kennzeichen ab.
 

Bis heute wurden von der Familie neben beträchtlichen Summen für den Erwerb der Originalteile nahezu 10.000 Stunden in das Projekt der „neuen“ G-14 investiert. Teilweise kann Werner Kölzsch inzwischen sein Steckenpferd mit Auftragsarbeiten für Restaurationsprojekte finanzieren, denn der Not gehorchend hat der Karosserieschlosser-Meister, der 2001 seine Arbeit verlor, sich mit der Restaurierung von Flugzeugteilen erfolgreich selbständig gemacht:
 
Neben Projekten von Oldtimer-PKWs enstanden beispielsweise bereits für Restaurierungsobjekte im In- und Ausland einige Motorhauben der Focke-Wulf 190 D-9 („Langnase“). Hierfür jedoch gab es weder Zeichnungen, noch Skizzen: Eine originale Triebwerksverkleidung aus dem Luftwaffen-Museum diente als Muster, die als Gegenleistung perfekt restauriert wieder nach Berlin-Gatow zurückgehen wird. Dank seiner sprichwörtlich „goldenen“ Hände bereute Werner Kölzsch den mutigen Sprung ins Unternehmertum noch keinen Augenblick - Arbeit und Einkommen dürften auf lange Zeit gesichert sein.

Weitere Informationen: www.koelzsch-restauration.de

Robert Kluge


 


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