AIR Ukraine

 

 

Aus: Fliegerrevue
 

Mit Ukraine International von Berlin auf die Krim
 

Spätestens seit der „Orangenen Revolution“ vom vergangenen Winter liegt die Ukraine keineswegs mehr „am Rande“, wie der slawische Sinn ihres Namens es eigentlich suggeriert. Seit dem 5. Juli verbindet nun alljährlich in der Urlaubssaison auch ein wöchentliches Flugpaar von Ukraine International Berlin mit Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krim.
 
Wir haben den Eröffnungsflug begleitet und Eindrücke gesammelt.

UR-GAH, eine von drei Boeing 737-300 des Nationalcarriers Ukraine International Airlines (UIA), ist vollbesetzt, als Kapitän Alexej Wachin die Leistungshebel auf der Piste 26 rechts in Berlin-Tegel nach vorn schiebt. Auf den dunkelblauen Ledersitzen hat sich kurz vorher eine bunte Mischung aus deutschen Urlaubern und russisch-ukrainischem „Ethnoverkehr“ angeschnallt, der beim Einchecken neben gigantischen Packtaschen auch einige Kinderfahrräder mit aufgegeben hat. Ziel dieser Linieneröffnung ist der Flughafen von Simferopol (internationales Kürzel SIP).
 
Nach gründlicher Marktforschung hat sich das Management der Gesellschaft offensichtlich zu Recht entschlossen, jeweils Dienstags in der Sommersaison von SIP aus Berlin als zweites deutsches Ziel neben Frankfurt/M. in den Flugplan aufzunehmen. UIA, 1992 gegründet, war die erste Linie in der ehemaligen Sowjetunion, die neue Boeing 737 eingesetzt hat. Seit wenigen Monaten besteht die Flotte nun ausschließlich aus acht 737 der zweiten Generation und sie fliegt von Kiew aus neben sieben inner-ukrainischen Zielen und fast allen westeuropäischen Hauptstädten auch noch je zweimal wöchentlich im Nahen Osten Doha, Dubai und Kuwait an. Auch sonst steht „International“ nicht nur im Namen: Das Frequent-Flyer-Programm heißt „Panorama-Club“ und Allianzen bestehen u.a. mit Austrian, Finnair, KLM und Swiss, wobei die beiden letztgenannten auch selbst 22,5 Prozent der Anteile an UIA halten.
  
Rund 1800 Kilometer sind zurückzulegen, in zweieinhalb Stunden ist man auf der Krim. Unübersehbar und mit einem Anflug von Stolz thematisieren die UIA-Broschüren die politischen Ereignisse, die zu einer neuen Regierung in Kiew geführt haben. Orange ist die Farbe der Stunde, doch die Mehrheit der Krim-Bevölkerung besteht aus Russen, zudem sind in der Hafenstadt Sewastopol Teile der russischen Schwarzmeerflotte stationiert – eine brisante Gemengelage.
 

Simferopol – Tor zur Krim
 

Nach zwei Stunden kommt erstmals die Küste in Sicht, und wenig später erschallt nach der weichen Landung der dankbare Applaus der Passagiere. Die Maschine rollt eine halbe Ewigkeit über die Betonplatten der Rollwege, um von der 3700 Meter langen Westbahn zum Vorfeld zu gelangen. Hier ist Fotografieren streng untersagt – es gelten noch die alten Regeln.
 
Am nächsten Morgen sind wir mit Timur Abibullaejew verabredet, dem Chef der „Vertragsabteilung“ und zuständig für den Papierkrieg, der auf die erfolgreiche Arbeit des Marketings folgt. Timur sorgt für die Fotoerlaubnis, deren eindrucksvolle Stempel dann auch wiederholt kontrolliert werden. Wir werden durch das Abflug-Terminal geführt, das derzeit um die Hälfte auf 1500 Quadratmeter vergrößert wird („weil Security, Zoll und Grenzkontrollen mehr Platz benötigen“) und noch von einem netten sozrealistischen Kosmonautenrelief geschmückt wird, bekommen nochmals das erst 2001 eröffnete und ab kommendem Jahr zu vergrößernde Anflug-Terminal zu sehen und werfen einen Blick in das mit eigenwilligem Charme ausgestattete VIP-Terminal.
 
Mit 18 Prozent am gesamten Passagieraufkommen nehmen die VIPs beim Flughafen-Management einen so hohen Stellenwert ein, dass man ihnen ab 1997 gleich das gesamte eindrucksvolle neo-klassizistische Abfertigungsgebäude aus der Post-Stalinära (Baujahr 1957) gewidmet hat. Schon manche private 747 aus den Golfstaaten soll hier gesichtet worden sein. Daneben gibt es noch ein winziges Terminal für die sechs Inlandsverbindungen und ein gut gesichertes Gebäude für Staatsdelegationen, die öfter zu Verhandlungen auf die Krim kommen.
 

Airport im Aufbruch
 

2004 sind in SIP 307000 abfliegende Passagiere gezählt worden – um internationalen Statistiken zu entsprechen ist diese Zahl zu verdoppeln. Seit 2000 hat man gut über 100 Prozent Wachstum zu verzeichnen, wobei allerdings anzumerken ist, dass in Sowjetzeiten schon jährlich weit über vier Millionen Passagiere, allerdings unter ganz anderen Bedingungen, abgefertigt wurden. Heute genügen die Sicherheitsmaßnahmen auch den hohen Ansprüchen der israelischen El Al, die in den Sommermonaten einmal wöchentlich Tel Aviv mit Simferopol verbindet.
 
Das Gespräch beim stellvertretenden Flughafendirektor Ewgenij Urus fällt etwas knapp aus. Immerhin erfahren wir, dass die erste Flugverbindung nach Moskau 1936 aufgenommen wurde, man also im kommenden Jahr das 70. Jubiläum begeht.

  Die kürzere Ostbahn wird gegenwärtig überholt, während auf der 3700 Meter langen und in beiden Richtungen mit Instrumentenlandesystem nach ICAO CAT I ausgestatteten Westbahn aus dem Jahr 1977 heute jährlich bis zu 50000 Flugbewegungen abgewickelt werden.
 
Für die Ukraine hatte Simferopol schon zu Sowjetzeiten immer einen hohen Stellenwert als Flughafen für die Kurorte im Süden der Krim: Die ersten Tupolew 104 und Iljuschin 86 kamen hier seinerzeit zum Einsatz, um insgesamt regelmäßig 15 Prozent des gesamten Flugverkehrs dieser Sowjetrepublik zu bewältigen.
 
Auf dem Heimweg wird der Reisepass nach dem Einchecken noch drei weitere Male überprüft: Offenbar trauen sich Security, Zoll und Grenzbehörden gegenseitig keine gewissenhafte Arbeit zu. Der Wartesaal bleibt fast leer, ganze 22 Sitze sind beim Rückflug mit Ukraine International belegt – es ist Mitte Juli, und da verläßt man die sonnige Krim einfach noch nicht!
 

Koktebel – altersschwache Wiege des sowjetischen Segelflugs
 

Neben den traditionellen Urlaubsorten um Jalta im Süden der Krim und dem mittlerweile frei zugänglichen Kriegshafen von Sewastopol mit der etwas müde anmutenden Schwarzmeerflotte gibt es im Südosten noch einen Geheimtip für Freunde der motorlosen Fliegerei. Sechs Kilometer nördlich des inzwischen leider ebenfalls recht lauten und überlaufenen ehemaligen Künstlerstädtchens Koktebel liegt der Bergrücken Usun-Syrt oder „Klementjew-Berg“.
 
Hier begannen ab 1923 aufgrund der stetigen Hangwinde Enthusiasten aus allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion mit ihren praktischen aerodynamischen Experimenten. Es entstand eine Art „sowjetische Wasserkuppe“: Tupolew, Iljuschin, Jakowlew, Koroljow und Antonow probierten im später in Planerskoje („Dorf der Segelflugzeuge“) umbenannten Koktebel eigene Konstruktionen aus, ab Anfang der Dreißiger entstanden fast futuristisch anmutende Gebäude für Verwaltung und Ausbildung, das Moskauer Forschungsinstitut ZAGI unterhielt eine Filiale.
 
Heute strahlen die noch immer weißen Fassaden einen morbiden Charme aus und wachsen zu, fast romantisch rotten die ausgeschlachteten Zellen zweier An-2 vor sich hin und auch das kleine und einst liebevoll gestaltete Museum des Segelflugs ist leider nicht mehr frei zugänglich, weil Mittel für dessen Unterhalt fehlen. Von der neuen Regierung in Kiew erwartet man allgemein nichts Gutes – die Segelflieger haben zuletzt vor mehr als einem Jahr abgehoben.
 
Die stabilen Unterkunftsbaracken werden nun der Not gehorchend preiswert an Erholungssuchende vermietet, und in den Blechhallen stehen Ultraleichtflugzeuge, deren Piloten willige Urlauber gern über die malerischen Buchten und Berge um Koktebel fliegen.
 
Einige Kilometer weiter haben Drachen- und Gleitschirmflieger ihr Domizil und freuen sich stets über interessierte Gäste. Nach wie vor sind die Hangflugbedingungen einzigartig, und mancher Schirm gleitet gar in weit über 2000 Metern über dem Meer. Von Simferopol aus fahren für etwa vier Euro Kleinbusse täglich in ca. zwei Stunden nach Koktebel und ins benachbarte Feodosia, Privatquartiere finden sich auch kurzfristig für jeden Geldbeutel.

Robert Kluge

Bildunterschriften (von oben nach unten):

1. Steile Berghänge und Badestrände liegen bei Koktebel unmittelbar nebeneinander.
2. + 3. Gleitschirmfliegern bieten sich spektakuläre Ausblicke über der „toten Bucht“ von Koktebel
4. Boeing 737-300 von Ukraine International auf dem Vorfeld von SIP

Freiheit die ich meine

 

Koktebel Krim

 

Koktebel Krim

 

Simferopol

 

Der Fund
 

Er hatte beim Laufen sehr auf die zerklüfteten Gehwegplatten achten müssen, die sich wie Packeisschollen durch die Hitze des schattigen kleinen Stadtparks hoben und senkten und ein schnelles Vorankommen damit erschwerten. In Gedanken freute er sich noch über das rasch gefundene Privatquartier und schon auf den bevorstehenden Besuch im neuen Museum der Krimtataren hier in Simferopol.
 
Der Journalist war deshalb völlig überrascht, als sie plötzlich vor ihm stand. Er hielt die anmutige Erscheinung des Mädchens unwillkürlich für tatarisch: Ein interessant hellblau gemustertes Kleid, eine runde, ebenfalls blaue Kappe mit Halbschleier und vor allem ihre tief schwarzen, so gar nicht leidenschaftlich glühenden, sondern sehr traurigen Augen. Irgendwo im Hintergrund des Parks nahm er zwei weitere Frauen wahr... [Lesen]